Sunday, May 14, 2006 |
das phänomen: live-musik |
ich habe ja neulich angedeutet, dass ich mich ein bisschen zum thema konzerte im allgemeinen und im speziellen auslassen will. wie der zufall es wollte, bin ich bis jetzt noch nicht dazu gekommen, mehr zum calexico-konzert vom 05.05. zu schreiben. dadurch bin ich aber in der zwischenzeit in den genuss eines weiteren konzerts gekommen, das sich zudem wunderbar als kontrastierendes element in der argumentation eignet. aber vielleicht sollte ich von vorne anfangen.
freitag, 05.05. calexico-konzert steht an. das erste konzert seit richtig langer zeit, für das die karte schon im voraus gekauft wurden. und das erste mittelgroße hallenkonzert seit richtig langer zeit (in die tonhalle passen so um die 2000 leute rein). und nach dem konzert dann die wiedergewonnene erkenntnis, warum das eigentlich richtig lange zeit gedauert hat, mal wieder auf ein solches konzert zu gehen: der mensch hat einen hang zur verdrängung und/oder zur vergesslichkeit und so hatte ich in der zwischenheit anscheinend schlicht und ergreifend vergessen, dass ich solche konzerte nicht mag und mich nachher immer über das geld ärgere, das ich dafür ausgegeben hab.
neulich in der neon gab es einen artikel, in dem leute sich geoutet haben. als nicht-möger von sachen, die man aber doch gefälligst zu mögen hat. darunter, ganz klar: konzertbesuche. wunderbar, ich bin also nicht allein mit meiner abneigung. im gegenteil, sie ist sozusagen von post(?)adoleszent-medialer seite abgesegnet. und damit möglicherweise mehrheitsfähig geworden. eine kurze empirische erhebung zeigte nämlich, dass nicht nur ich und neon-autoren diese meinung vertreten.
allerdings sind die gründe, die in der neon angeführt wurden, zum teil - entschuldigung - großer quatsch. liveauftritte der lieblingsband nicht zu mögen, weil ja dann die musik anders klingt. das mag vielleicht entmystifizierend wirken und kann im schlimmstfall zur absetzung der lieblingsband führen. aber der andere klang, das unperfekte an liveauftritten, die spontaneität: das sind alles definitiv gründe, die für einen konzertbesuch sprechen.
aber dann geht es schon los. hallenkonzerte sind sowieso immer grenzwertig, in der regel bleibt einem nämlich schon beim betreten der halle die luft weg. ganz besonders ansprechend wird es dann, wenn der kondensierte kollektive schweiß einem von der decke auf die nase tropft. nee, danke! contra: hitze und luftlosigkeit.
schön, wenn man in einer gruppe gleichgesinnter der musik lauschen kann, die einem das herzchen übergehen lässt. eine gruppe? gleichgesinnte? bei tausenden menschen wird es mit der gleichgesinnung langsam schwierig. so teilen die meisten anscheinend nicht meine ansicht, dass es schrecklich ist, körperkontakt mit fremden aufzunehmen, sofern das nicht absolut zwingend notwendig ist (ich spreche jetzt nicht von pogotanzenden jünglingen beim punkkonzert, deren verhalten ist in der regel völlig legitim). contra: menschenmengen und damit verbundene enge
das mit meinen hobbitbeinen hat sich ja sicher mittlerweile rumgesprochen. will sagen, ich gehöre nicht gerade zu den größten menschen. da ich wegend der oben erwähnten abneigung vor kuschligen menschenknäueln lieber weiter hinten stehe, ergibt sich daraus ein problem. ich seh nix. das problem wird durch meine leichte kurzsichtigkeit noch gesteigert. ich seh aber den musikern gerne beim zaubern zu (denn musik machen ist für mich sowas wie zaubern, weil völlig unverständlich und dabei so wundervoll), das macht für mich ein konzert mit aus. abgesehen von der vielgelobten liveshow, die manch eine band auf die bühne stellt. contra: sichtprobleme
wenn die letzten beiden punkte nicht eintreffen, dann ist man vielleicht bei einem kleineren clubkonzert gelandet. das sind konzerte, die ich wirklich schätzen kann. in der regel kann man die band sehen, sich außerdem noch bewegen, andere kleinere furchtbarkeiten größerer konzerte sind auch ausgeschaltet (ewiges schlangestehen an der theke, "das bier ist leer"-ansage während des hauptacts...) - perfekt. so ein konzert habe ich das letzte mal bei den ohrbooten erlebt, das hat richtig spaß gemacht. hier war ein weiterer pluspunkt: keine großen erwartungen und spontaner besuch. allerdings ist es schwierig die ausgewogene mischung aus party und platz hinzubekommen. denn: kleine clubs und unbekannte bands, das kann auch bedeuten: gähnende leere und hände-in-den-hosentaschen-vergrabendes rumstehen. contra: keine stimmung
die favorisierte band ist endlich mal in deutschland auf tour und kommt in deine stadt. ein grund zur freude. also nix wie karten gekauft. dass dann am stichtag zwei monate später die stimmung mies oder die lust auf eben diese musik nicht vorhanden sein kann - damit muss man dann leben. contra: am tag des konzerts am-liebsten-im-bett-liegen-stimmung, aber die karten für um die dreißig euro schon in der tasche
vorbands können super sein. bei calexico waren im preis inbegriffen: iron & wine sowie ein freundlicher mexikanischer herr mit gitarre und mundharmonika, dessen namen ich leider wieder vergessen habe. stimmung: sehr gut. iron & wine wunderbar ruhig, der mexikanische musiker hat die stimmung mit seiner one-man-show wieder ein bisschen angeheizt. gute mischung zur vorbereitung auf den hauptact. ich hab letzte woche ja schon auf meine körperlichen verfallserscheinungen hingewiesen, ohne diese näher zu benennen. aber mehrere stunden rumstehen, noch dazu in extrem verspannter körperhaltung, da man ja a) möglicherweise zwischen hunderten köpfen vor einem hindurch doch noch einen blick auf die musiker erhaschen könnte und b) dabei möglichst nicht auf kuschelkurs mit seinem nebenmann gehen möchte - das ist einfach nix in meinem alter für mich. echt nicht. noch dazu hab ich immer die falschen schuhe an. wahrscheinlich gibt es dafür auch keine richtigen. außer vielleicht medizinische. mit ganz, ganz dicken einlagen. die folgen: noch zwei tage später rücken-, nacken- und beinschmerzen. contra: bis die hauptband mal spielt, sind die kräfte bereits erschöpft
klarer fall: bei tanzbarer musik möchte ich platz zum tanzen und dabei gleichzeitig die möglichkeit, genügend abstand zu den mittanzenden zu halten. bei ruhiger musik möchte ich - die möglichkeit zu sitzen. das ist ein bisschen der vorteil bei open air-konzerten. jedenfalls bei denen mit gutem wetter. da setzt man sich eben einfach auf die wiese und hat trotzdem was von stimmung und musik und sonne.
letzten dienstag war ich auf einem konzert von scat max* neissendorfer und seinem jazztrio (und mit unterstützung der sound surfing angels) in der monofaktur. die monofaktur ist sicherlich nicht der erste anlaufpunkt in münchen, was jazzkonzerte angeht. dementsprechend leer war der club. kein einziger zahlender gast - vermutlich zum leidwesen der band, die "auf eintritt" gespielt hat. für die zuschauer aber gar nicht so schlecht. gute sicht auf die band war garantiert, man konnte in ruhe beobachten, was die so alles aus ihren instrumenten rausholten. barhocker, stühle und eine "lounge-ecke" sorgten für ausreichende sitzmöglichkeiten. stimmung war klasse, der applaus kam mir mindestens genauso laut vor wie bei calexico. richtig fein, ein konzert zum genießen. natürlich hätte es voller sein können (schon der band zuliebe). ich meine, irgendwas ist ja immer. aber zu konzerten dieser art gehe ich jederzeit gerne wieder.**
* lange keine homepage dieser art gesehen. da kommen gleich 90s-revival-gefühle auf. ** und ja: auch auf die größeren werde ich sicher wieder gehen, irgendwann, wenn ich die nachteile längst wieder vergessen habe, um mich zu erinnern, wieso ich große konzerte eigentlich irgendwie nicht mag.Labels: konzert, musik |
schrieb pjat um 13:56
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